Kaufrechtsupdate zum Pferdekauf,
Einblicke in den Pferdekaufrechtsdschungel der anwaltlichen Praxis
Neue Rechtsprechung zum Pferdekauf
Von Jennifer Stoll
Rechtsanwältin
und
Julia Oidtmann mag.iur
wissenschaftliche Mitarbeiterin
In den Jahren 2016 und 2017 hat der Bundesgerichtshof zwei wesentliche Urteile für die Pferderechtspraxis im Bereich des Kaufrechts gefällt, anhand derer wir mit einigen Beispielen einen Einblick in die Rechtsprechungspraxis zur besseren Orientierung für Reitsportler, Trainer und alle Pferdeliebhaber geben wollen.
- Fallbeispiel: nach BGH Urt. v. 18.10.2017 – VIII ZR 32/16
Der Kaufvertrag ist unterschrieben, Käufer und Verkäufer haben sich über den Kauf bzw. Verkauf des Pferdes geeinigt. Der Übergabe des Pferdes an seinen neuen Eigentümer steht nichts mehr im Wege und die Freude, insbesondere auf Seiten des Käufers, könnte kaum größer sein. Die Einigkeit der Vertragsparteien und Freude des Käufers über das neue Pferd enden jedoch meist dann, wenn bei dem neuen Sportpartner Rittigkeitsprobleme (z. B. Lahmheit oder Widersetzlichkeit) auftreten und der Tierarzt einen (Röntgen-)Befund feststellt.
Mögliche Abhilfe: Die Sachmangelhaftung des Verkäufers
In dieser misslichen Lage stehen dem Käufer, aufgrund der Sachmangelhaftung des Verkäufers (§§ 434 ff. BGB), von Gesetzes wegen verschiedene Rechte zu. Sofern, die persönliche Bindung zum Pferd noch nicht zu sehr ausgeprägt ist, strebt der Käufer in der Regel die Rückgabe des Pferdes bzw. des Kaufpreises und damit die Rückabwicklung des Kaufvertrags an (Rücktritt, §§ 437 Nr. 2 Alt. 1, 440 BGB). Voraussetzung für eine derartige Rückabwicklung, aber auch für alle anderen Sachmangelrechte, ist zunächst die Mangelhaftigkeit des Pferdes.
(Röntgen-)Befund als Sachmangel?
Für den juristischen Laien, insbesondere aus der Käuferperspektive betrachtet, scheint der Fall eindeutig. Das Pferd hat einen von der (Ideal-)Norm abweichenden (Röntgen-)Befund, sodass an der Mangelhaftigkeit des Pferdes vermeintlich kein Zweifel besteht. Ganz so einfach ist dies jedoch nicht. In seinem jüngsten Urteil zu dieser Thematik hat der Bundesgerichtshof seine Position, dass eine negative Abweichung von der physiologischen (Ideal-)Norm, sprich ein tierärztlicher (Röntgen-)Befund, ohne nachweisbare klinische Auswirkungen, keinen Sachmangel darstellt, nochmals deutlich gemacht und damit seine bisherige Rechtsprechung bestätigt. Hinsichtlich des (Röntgen-)Befundes ist es dabei unerheblich, ob es sich um einen häufig (z. B. Kissing-Spinnes) oder selten auftretenden Befund handelt.
Beschaffenheitsvereinbarung
Eine Ausnahme lässt der Bundesgerichtshof nur dann zu, wenn die Vertragsparteien im Kaufvertrag eine explizite Beschaffenheit des Pferdes vereinbart haben. Aus diesem Grund sollten die Vertragsparteien an dieser Stelle einen Blick in den Kauvertrag werfen. Sofern die Vertragsparteien keine explizite Beschaffenheit des Pferdes, z. B. frei von negativen Röntgenbefunden, vertraglich vereinbart haben, stellt ein von der (Ideal-)Norm negativ abweichender (Röntgen-)Befund, ohne dass weitere Auswirkungen nachgewiesen werden können, keinen Sachmangel dar. Hervorzuheben ist zudem, dass dies – ohne Einschränkungen – auch für hochpreisige Sportpferde (im Fall des BGH 500.000,00 €) gilt. Im Fall hatten die Parteien weder direkt noch konkludent eine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen.
Ausschluss von physiologischen Abweichungen
Möchte der Käufer die Inkaufnahme von jedweden physiologischen Abweichungen von der (Ideal-)Norm vermeiden, sollte er eine derart gelagerte explizierte Beschaffenheitsvereinbarung hinsichtlich des gesundheitlichen Zustands des Pferdes in den Kaufvertrag aufnehmen. Haben die Vertragsparteien jedoch keine derartige Beschaffenheitsvereinbarung im Kaufvertrag vereinbart, so kann der Käufer nicht erwarten, dass er ein Pferd erhält, das der (Ideal-)Norm entspricht. Der Verkäufer muss ohne explizite Beschaffenheitsvereinbarung lediglich dafür einstehen, „dass das Tier bei Gefahrübergang nicht krank ist und sich auch nicht in einem (ebenfalls vertragswidrigen) Zustand befindet, aufgrund dessen bereits die Sicherheit oder zumindest hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass es alsbald erkranken wird.“
Auswirkungen für die Praxis!
Mit dieser Entscheidung hält der Bundesgerichtshof die Sachmängelgewährleistung des Verkäufers in einem angemessenen Rahmen. Denn bei Lebewesen sind Abweichungen vom physiologischen Idealzustand häufig anzutreffen. Dies würde zu einer ausufernden und nicht sachgerechten Haftung des Verkäufers führen. Zugleich hat das Urteil des Bundesgerichtshofs, die Bedeutung einer Ankaufsuntersuchung (AKU) gestärkt. Denn ein Pferd mit einem nachteiligen (Röntgen-)Befund, der nicht im Untersuchungsprotokoll der AKU aufgeführt war, kann nicht ohne weiteres rückabgewickelt werden.
Julia Oidtmann Mag. Iur
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Anmerkung:
In dieser Entscheidung hat der BGH darüber hinaus klar entschieden, dass auch ein selbständiger Pferdeausbilder und Trainer sein privat genutztes und vorgestelltes Pferd verkaufen kann, ohne bei diesem Verkauf Unternehmer im Rechtsinne zu sein.
Entscheidend sind hier wie immer die Umstände des Einzelfalles! Dem oben vereinfacht dargestellten, vom Bundesgerichthof entschiedenen Fall lag also kein Verbrauchsgüterkauf zugrunde. Aus diesem Grund trug der Käufer hier die vollständige Beweislast in zwei Richtungen, er musste beweisen, dass die Mangelerscheinung (hier Rittigkeitsdefizite, das könnte aber auch eine Lahmheit sein) auf den bei dem Pferd vorliegenden Röntgenbefund (der im Protokoll der AKU nicht aufgeführt war) in der Halswirbelsäule zurückzuführen ist und dass dieser schon zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs (i.d.R. Übergabe des Pferdes) vorlag. Hier konnte der Käufer zwar beweisen, dass der Befund in der HWS bei Gefahrübergang vorgelegen hatte, aber er konnte nicht beweisen, dass dieser Befund Auslöser der Rittigkeitsprobleme des Pferdes war, das konnte der vom Gericht bestellte veterinärmedizinische Sachverständige nicht bestätigen.
Wie oben anschaulich dargestellt hatten die Parteien keine entsprechende Beschaffenheitsvereinbarung getroffen (z.B. als Dressurpferd in der schweren Klasse einsetzbar oder frei von negativen Röntgenbefunden), die zu einer anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage hätte führen können.
Praxistipp: Beschaffenheitsvereinbarung:
Ab einer gewissen Kaufpreisklasse wie hier mit einem Kaufpreis in Höhe von 500.000,00 € sollte auch wegen des neuen Röntgenleitfadens in der Praxis über entsprechende Beschaffenheitsvereinbarungen – positiv wie negativ – verhandelt werden. Diese regeln bereits bei Kaufvertragsschluss nach Verhandlung der Parteien auf Augenhöhe die kaufrechtlich geschuldete Beschaffenheit eines Pferdes und werden immer wichtiger.
- Fallbeispiele Verbrauchsgüterkauf
Im Jahre 2016 hat der Bundesgerichtshof im Anschluss an eine Entscheidung des europäischen Gerichtshofes seine Rechtsprechung zur Beweislastverteilung im Rahmen des Verbrauchsgüterkaufs gem. §§ 474 ff BGB geändert. Das hat insbesondere Auswirkungen auf die Beweislastverteilung gem. § 476 (jetzt § 477) BGB. Nach der neuen Rechtsprechung des BGH (zum Gebrauchtwagenkauf) ist es ausreichend, wenn der Käufer als Privatperson eine Mangelerscheinung innerhalb der ersten 6 Monate nach der Übergabe beweisen kann. Der Käufer braucht nicht mehr die Ursache dieser Mangelerscheinung zu beweisen und er braucht auch nicht zu beweisen, dass die Ursache der Mangelerscheinung bei Übergabe der Kaufsache bereits vorhanden war.
Der Verkäufer muss nunmehr vollständig beweisen, dass die vorgetragene Mangelerscheinung bei Übergabe des Pferdes nicht vorhanden war.
Beispiel aus einem aktuellen Fall vor dem Landgericht Köln:
Die private Käuferin eines vierjährigen Pferdes nimmt den Verkäufer, einem selbstständigen Pferdeausbilder und Trainer, der planmäßig am Markt auftritt, in dem er ab und zu Pferde zum Verkauf anbietet, 6 Monate nach der Übergabe des Pferdes auf Rückabwicklung in Anspruch, weil das gekaufte Pferd jetzt an einer „Insertionsdesmopathie“ des Fesselträgerursprungs leidet und lahmt. Der beklagte Verkäufer hatte in dem Rechtsstreit vorgetragen, dass das Pferd bis zur Übergabe weder an einer Lahmheit gelitten hatte noch es sonst irgendwelche Anzeichen einer Fesselträgerproblematik gegeben hatte. Weiterhin trete eine solche Erkrankung häufig durch kurzfristige Überlastung oder einfaches Umknicken plötzlich auf.
Der neuen BGH Rechtsprechung zum Verbrauchsgüterkauf folgend schreibt das Landgericht Köln in einem Hinweisbeschluss:
„Die von der Klägerin geltend gemachten Mängel, Steigen und Lahmheit aufgrund einer Insertionsdesmopathie wurden ausreichend vorgetragen, so dass die Anwendung der Vermutung gem. § 477 BGB grundsätzlich eröffnet wäre. Die Vermutungswirkung ist entgegen der Ansicht des Beklagten nicht bereits deshalb ausgeschlossen, falls die von der Klägerin geltend gemachten Mängel tatsächlich typischer Weise jederzeit auftreten könnten. … Daraus ergibt sich, dass der Beklagte die Mangelfreiheit des streitgegenständlichen Pferdes im Zeitpunkt des Gefahrübergangs zu beweisen hätte.“
Man könnte jetzt denken, für die anwaltliche Praxis sei die Bearbeitung derartig gelagerter Fälle klar und eindeutig. Leider ist das in Pferderechtsdezernaten nicht ohne Weiteres der Fall, denn es handelt sich jeweils um Einzelfallentscheidungen der Gerichte, die nicht einheitlich entscheiden.
So entschied das OLG Rostock (und zuvor das LG Stralsund) im vergangen Jahr, dass es einer privaten Käuferin eines bei einem Pferdehändler gekauften 4 jährigen Dressurreitponys (Beschaffenheitsvereinbarung im Kaufvertrag: Einsatz in Dressurprüfungen) nicht gelungen sei zu beweisen, auf welchen der erhobenen Befunde (Spatbefunde in beiden Sprunggelenken, HWS Befund, Strahlbeinbefunde) die bereits 14 Tage nach der Übergabe aufgetretene Lahmheit zurückgeführt werden könne. Das OLG Rostock wies die Klage der Pferdekäuferin ab, indem es die Vermutung (zeigt sich ein Mangel innerhalb der ersten 6 Monate, so wird vermutet, dass dieser schon zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorlag) für nicht anwendbar hielt, weil es dem vorgetragenen Sachmangel (Röntgenbefunde und Lahmheit) keinen Krankheitswert entnehmen konnte. Das OLG Rostock war schlicht nicht gewillt, die europarechtskonforme Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes auf den Pferdekauf zu übertragen. Auch die getroffene Beschaffenheitsvereinbarung „Dressurpferd“ änderte für das OLG Rostock entgegen der im 1. Fallbeispiel vom BGH vertretenen Auffassung nichts daran.
Praxistipp: Pferdekaufrechtsfälle sind deshalb Einzelfallentscheidungen, weil ein Lebewesen Kaufgegenstand ist und die Rechtsprechung im Einzelfall die Besonderheiten des Lebewesens berücksichtigt, das eine Vielzahl physiologischer Besonderheiten aufweist und einer Vielzahl physiologischer und psychischer Veränderungen unterworfen wird. Im Verfahren sind regelmäßig die Veterinärmediziner das „Zünglein an der Waage“.
Zum Abschluss bilden wir den oben dargestellten Fall des BGH geringfügig um, wir unterstellen der Verkäufer sei als selbstständiger Pferdeausbilder auch Pferdehändler und damit Unternehmer im Rechtssinne, dann läge ein Verbrauchsgüterkauf (§§ 474 ff BGB) vor und der Käufer müsste nach der Rechtsprechung des BGH nur beweisen, dass sich eine Mangelerscheinung (§ 434 BGB) innerhalb der ersten 6 Monate gezeigt habe, die die Verwendung des Pferdes negativ einschränkt.
Wie würden Sie entscheiden?
Reicht es aus, dass bei diesem 500.000,00 € Pferd negative Röntgenbefunde der HWS innerhalb der ersten 6 Monate aufgetreten sind?
Das dürfte mit dem BGH zu verneinen sein, denn die Röntgenbefunde stellen ohne klinische Auffälligkeit für sich genommen keinen Sachmangel dar. Daran wird wohl (aller Voraussicht nach) auch künftig die geänderte Rechtsprechung des BGH zum Verbrauchsgüterkauf nichts ändern.
Aber: Die Klägerin hatte im 1. Fall ja auch umfassend Rittigkeitsprobleme wie Steigen vorgetragen und unter Beweis gestellt.
Hätte die Klägerin nach der aktuellen europarechtskonformen Rechtsprechung zum Verbrauchsgüterkauf dann auch beweisen müssen, dass die Röntgenbefunde Ursache des Steigens sind?
Nach der zuvor dargestellten Auffassung des OLG Rostock ja, nach der zuvor dargestellten Auffassung des LG Köln voraussichtlich nein!
Fazit: Nach allen Auffassungen wären in allen Beispielen die Pferde im kaufrechtlichen Sinne sachmangelhaft gewesen, wenn klinische Auffälligkeit veterinärmedizinische nachprüfbar auf die erhobenen Befunde hätten zurückgeführt werden können.
Last but not least!
Augen auf beim Pferdeverkauf!
Gerade im hochpreisigen Segment ist es immer noch üblich, dass im Rahmen von Pferdeverkäufen zum Teil hohe Provisionen an Vermittler und Trainer gezahlt werden. Die Provisionen werden oft in den Kaufpreis eingepreist und werden teilweise Käufern nicht offengelegt. Diese Praxis ist u.a. Gegenstand eines Urteils des OLG Celle (und zuvor des LG Hannover) gewesen. Versteckte Provisionszahlungen halten gerichtlicher Überprüfung nicht stand, wenn sie gegenüber dem Käufer nicht offen gelegt werden und an Personen gezahlt werden, die das besondere Vertrauen der Käufer (z.B. Tierarzt, Trainer) genießen.
Entsprechende (Pferde-)Kaufverträge können bereits alleine aus diesem Grund rückabgewickelt werden.
Solche Provisionszahlungen haben gleichwohl teilweise eine Daseinsberechtigung, müssen künftig aber in rechtlich zulässiger Weise anders vereinbart werden, wenn der Kaufvertrag dauerhaft Bestand haben soll.
Jennifer Stoll
Rechtsanwältin